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Inhaltsübersicht

1.) Übersicht möglicher Vorwürfe
2.) Informationen zu möglichen Vorwürfen
3.) Vor und nach der Aktion
4.) ID-Verweigerung
5.) Quellen

Wir möchten mit einer bunten, fröhlichen und kreativen Blockadeaktion den reibungslosen Betrieb der IAA stören. Unser Ziel ist Deutschlands wichtigster Industriezweig auf der größten internationalen Ausstellung der Branche, dementsprechend ist auch mit Repression zu rechnen. Die Aktion findet in Frankfurt statt, also im städtischem Raum, was in mancher Hinsicht einen anderen Aktionskontext darstellt, als z.B eine Aktion im Rheinischen Braunkohlerevier. Der Einsatz des eigenen Körpers und die ungehorsame Aneignung von Räumen oder Anlagen erzeugt eine besondere Konfrontation. An dieser Stelle findest du einige Hinweise, welche strafrechtlichen Vorwürfe möglicherweise gegen dich erhoben werden, wenn du dich an Aktionen zivilen Ungehorsams beteiligst oder gemeinsam mit anderen direkte Aktionen mit Einsatz deines Körpers organisierst. Deswegen möchten wir euch einen Überblick über mögliche Repressionsszenarien geben. Bevor du weiterliest, mache dir bitte bewusst, dass je nach Situation auch andere Vorwürfe konstruiert werden können, die über das hier Dargestellte hinausgehen (oder geringer sind).

1.) Übersicht möglicher Vorwürfe

Ordnungswidrigkeiten:

– Teilnahme an aufgelöster oder verbotener Versammlung
– Sitzblockade und Wegtragen lassen

Straftaten:

– Hausfriedensbruch
– Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
– Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte
– Landfriedensbruch
– Nötigung
– Leitung verbotener Versammlung Störung einer angemeldeten Versammlung
– Sachbeschädigung
– Vermummung
– Körperschutz (passive Bewaffnung)

„Legal“

– Es ist nicht verboten an einer unangemeldeten Demonstration teilzunehmen
– Eine Sitzblockaden kann als Versammlungsform akzeptiert werden
– Auch unangemeldete Versammlungen unterliegen der Versammlungsfreiheit

2.) Informationen zu möglichen Vorwürfen

Mögliche Blockadepunkte können sich in öffentlichem oder privatem Raum befinden, sowie öffentliche oder private Straßen sein. Das bedeutet unterschiedliche Repressionsformen und strafrechtliche Konsequenzen. Die Messe Frankfurt hat z.B einen eigenen Sicherheitsdienst, der anders vorgehen kann als Polizist*innen.

Sitzblockaden

Sitzblockaden können als Versammlungsform akzeptiert werden, und wären also grundsätzlich erst mal legal bis die Polizei die Sache auflöst. Dies kann dann gewaltsam geschehen, und mit Ingewahrsamnahmen und weiteren juristische Folgen verbunden sein. Je nach Ort der Blockade können auch andere Vorwürfe seitens der Polizei gemacht werden.

Wenn du eine Straße blockierst, die nicht offensichtlich auf Privatgelände ist, kann dir Nötigung vorgeworfen werden nach § 240 StGB. Dies ist ein typischer Vorwurf bei und nach Blockaden, denn durch eine Blockade soll ja in der Tat etwas verhindert werden – sei es die Zufahrt zu einem Gelände, eine Abschiebung oder Zwangsräumung oder die Arbeit einer Maschine. Der Wortlaut des Gesetzes macht nicht klar, ab wann eigentlich etwas eine Nötigung ist. Bei reinen Sitzblockaden ist es unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen deshalb verurteilt zu werden, die Rechtsprechung ist hier uneinheitlich. Die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtssprechung“ besagt zwar dass bei einer Blockade z.B. das erste Fahrzeug nicht zum Anhalten genötigt wird, stattdessen aber das zweite (weil dann nicht nur die blockierenden Menschen selbst, sondern auch ein weiteres, auch theoretisch unüberwindbares Fahrzeug davor steht), ist aber umstritten.

Häufig ist es, dass die Versammlung formal von der Polizei aufgelöst wird. Theoretisch musst du dich dann entfernen, wenn du das nicht machst und die Auflösung korrekt war, kann dir das als Ordnungswidrigkeit (§ 13 (2) VersG und § 29 VersG) ausgelegt werden und du bekommst eventuell ein Bußgeldbescheid, ähnlich wie beim Falschparken. Das können bis zu 500 Euro sein, aber auch deutlich weniger.

Zusätzlich können je nach Ort der Sitzblockade weitere Vorwürfe dazu kommen. Wenn du auf Privatgelände bist, beispielsweise Hausfriedensbruch.

Hausfriedensbruch – § 123 StGB (Strafgesetzbuch)

Hausfriedensbruch ist eine Verletzung des Hausrechts. Diese Straftat begeht, wer widerrechtlich in private Räumlichkeiten oder befriedetes Besitztum (z.B eingezäuntes Gelände) eindringt oder sich dort aufhält. Es sollte auch erkennbar sein, dass das Betreten nicht erwünscht ist – z.B. durch Mauern, Türen (auch nicht verriegelte), durchgezogene Wälle, durchgehend zu erkennende Beschilderung (sofern die nicht vorher verschwunden ist) oder durch Zäune (auch wenn die z.B. vereinzelte Lücken aufweisen).

Dies gilt ebenfalls für zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmten Räumen, wie etwa U-Bahnstationen oder Zügen. Ein Hausfriedensbruch kann bereits vorliegen, wenn eine Person lediglich mit einem Teil des Körpers in geschützte Räume gelangt, oder z.B einen Fuß in die Eingangstür stellt.

Durchfließen / Durchbrechen von Polizeiketten

Manchmal kann es in Aktionen dazu kommen, dass die Polizei den Weg versperren will und sich euch vereinzelt oder in teilweise engen Ketten (zu mehreren hintereinander) entgegenstellt. Wie du damit praktisch umgehen kannst, lernst du in den Aktionstrainings. Wir konzentrieren uns hier auf die juristischen Hinweise. Bei dem wie auch immer gearteten Überwinden solcher Polizeiketten, kann es häufig zu den folgenden Vorwürfen kommen:

– Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)
– Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB)
– Landfriedensbruch (§ 125 StGB)

Die genannten Delikte sind häufig angewandte Vorwürfe, die die Polizei gerne nutzt, um eigene Gewalt als notwendige Reaktion zu entschuldigen unabhängig davon ob Betroffene sich tatsächlich gewehrt haben oder nicht.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 StGB

Laut Rechtsprechung braucht es für eine Verurteilung wegen §113 StGB eine „aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten mit Nötigungscharakter“. Ein rein passives Verhalten gegenüber der Polizei erfüllt den Tatbestand von §113 StGB also nicht. Zum Beispiel ist es kein Widerstand, wenn du dich bei einer Sitzblockade von der Polizei als Paket (sitzend) wegtragen lasst, ohne dich dabei besonders zu wehren oder, wenn du einer Aufforderung, aufzustehen, nicht nachkommst. Auch, wenn du einfach wegrennst, ist das kein Widerstand (Kann aber dazu führen, dass du Bekanntschaft mit dem Schlagstock machst) Anders war es bisher, wenn du z.B. beim Wegtragen nach Polizisten getreten oder dich gewaltsam losgerissen hattest. Im Gesetzestext steht „wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet“ – so kann zum Beispiel ein Sich-gegen-die-Laufrichtung-stemmen darunter fallen. Auch beim Anketten oder Unterhaken ist es schon zum Vorwurf des Widerstands gekommen.

Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte § 114 StGB

Dieser Vorwurf wurde 2017 neu geregelt. Der Teil des tätlichen Angriffs wurde aus dem Gesetzestext des §113 StGB heraus genommen und als neuer Straftatbestand in einem eigenen Paragraphen mit einem eigenen (deutlich höheren) Mindest-Strafmaß von drei Monaten geregelt. Als tätlicher Angriff kann jede vermeintlich gewaltsame Bewegung in Richtung des anderen Körpers, z.B. ein Schubsen, Schlagen oder Treten gewertet wer- den. Zu Schmerzen oder einer Verletzung muss es dabei weder für § 113 StGB noch für §114 StGB kommen, um den Tatbestand zu erfüllen. Für solche „Angriffe“ sollen jetzt mindestens dreimonatige Bewahrungs- oder Gefängnisstrafen verhängt werden. In der nachfolgenden Praxis bis Ende 2018 wurde bei dem Vorwurf deutlich häufiger Untersuchungshaft verhängt, als dies bisher üblich war, meist vor allem für Menschen mit Wohnsitz im Ausland. Wenn der Vorwurf als erwiesen angesehen wird, kommen meist Bewährungsstrafen heraus. Das heißt, dass du besonders beim Durchfließen von Polizeiketten oder bei anderen Situationen, in denen du Polizist*innen sehr nahe kommst, darauf achten solltest, welche Bewegungen du in Richtung der Körper von Polizist*innen ausführst und überlegst, ob du das wirklich willst.

Landfriedensbruch § 125 StGB

Landfriedensbruch ist der juristische Begriff für so etwas wie „Krawall“, „riot“ usw. Um diesen Vorwurf vor Gericht halten zu können, muss dir nachgewiesen werden können, dass du dich innerhalb einer Gruppe gewaltsam gegen Menschen oder Dinge verhalten hast oder solche Handlungen der Menschenmenge unterstützt hast.

Für alle drei Vorwürfe gibt es auch jeweils im Gesetz gesondert ausgewiesene “besonders schwere Fälle“, die auch mit einer Mindest-Strafe von sechs Monaten deutlich härter bestraft werden (§ 113 Abs. 2 StGB).

Dabei sind besonders relevant:
Das gemeinschaftliche Begehen: Sobald du zu zweit an dem Delikt beteiligt bist (z.B. zu zweit schubst), kann das als gemeinschaftliches Begehen ausgelegt werden.Das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Gegenständen: Wenn du beim (vermeintlichen) Begehen des Delikts Waffen oder andere gefährliche Gegenstände lediglich bei dir hast. Als gefährlicher Gegenstand kann so ziemlich alles gelten, was Verletzungen hervorrufen kann: Schuhe, Bleistifte, Brotmesser, Nagelschere… Neu ist hierbei, dass seit der Gesetzesverschärfung im Mai 2017 bereits das alleinige Mitführen strafbar ist. Vorher war die Strafbarkeit auf eine Verwendungsabsicht beschränkt – es musste dir also nachgewiesen werden, dass du den Gegenstand als Waffe gebrauchen wolltest, jetzt nicht mehr. Wir empfehlen dir daher, sehr genau zu überlegen, was du in eine Aktion mitnimmst, und vorher dein Gepäck immer noch einmal zu kontrollieren.

Der § 113 StGB wird von der Polizei häufig genutzt, um sich selbst der Strafverfolgung im Falle von Polizeigewalt zu entziehen. Es ist gängige Praxis, dass du eine Anzeige wegen Widerstands kassierst, wenn du eine Polizist*in anzeigst. Da der Vorwurf des Widerstands in solchen Fällen einzig und allein auf den Aussagen von der Polizei beruht, haben sie damit ein großes Druckmittel. Es ist auch keine Seltenheit, dass mehrere Polizeizeugen ihre Aussagen absprechen und sich somit gegenseitig schützen. Gleichzeitig werden fast alle Verfahren gegen Polizist*innen eingestellt. Das heißt, du hast leider nur sehr wenig juristische Handhabe gegen prügelnde Polizist*innen. Wir sagen das nicht, um dich abzuschrecken oder von Aktionen abzuhalten. Wir wollen aber, dass du nicht auf einen Rechtsstaat vertraust, der dich in dieser Situation im Stich lassen wird.

Die unangemeldete Versammlung

Die Leitung einer unangemeldeten Versammlung ist eine Straftat. ( § 26 VersG Versammlungsgesetz) Die Teilnahme an einer unangemeldeten Versammlung ist jedoch nicht strafbar. Wenn du bleibst, obwohl die Polizei die Versammlung formal aufgelöst hat, ist das eine Ordnungswidrigkeit. (§ 7 und § 8 VersG) Achtet also als Gruppe bei unangemeldeten Versammlungen immer darauf, dass keine Person eindeutig als Leiter*in zu erkennen ist (z.B. nicht ein Mensch alle Durchsagen macht oder allein mit der Polizei spricht). Wechselt euch bei Rollen, die als Leitung interpretiert werden könnten, ab. Die meisten eingeleiteten Verfahren wegen der Leitung einer unangemeldeten Versammlung verlaufen im Sande. Wenn es doch zu einer Verurteilung kommt, liegt die meist im Geldstrafenbereich (§ 26 VersG Kapitel 4).

Auch unangemeldete Versammlungen unterliegen der Versammlungsfreiheit und sind erst mal geschützt. Sie dürfen nicht aufgelöst werden, so lange sie friedlich sind. Wie immer heißt das natürlich nicht, dass die Polizei sich in jedem Fall daranhält. Eine Versammlung kann allerdings ohne Einverständnis des Eigentümers nicht auf Privatgelände stattfinden. Es gibt Ausnahmen (z.B. wenn der Eigentümer überwiegend in öffentlichem Besitz ist, z.B. Flughafen oder Bahnhöfe).

Die Polizei darf Versammlungen nur bei konkreter Gefahrenlage filmen. Wenn sie das also ohne erkennbare Gründe tut, macht sie darauf aufmerksam, dass sie dass doch bitte unterlassen soll. (§ 12a VersG)

Vermummung/ Passivbewaffnung

Vermummung auf Demos ist verboten, wenn sie dazu dient, sich gegenüber der Polizei unkenntlich zu machen. (§ 17a VersG) Es gibt aber auch andere Gründe, warum mensch z.B. Staubmasken benutzt – etwa, um sich gegen Autoabgase oder Feinstaub zu schützen. Sogenannte „Schutzwaffen“ oder „Passivbewaffnung“ sind verboten. Darunter fallen alle Sachen, die vor Maßnahmen der Polizei schützen (z.B. Polsterungen, Schutzhelme). Die Auslegung davon ist recht unterschiedlich, aber oft zu unseren Ungunsten (§ 17a VersG) Ein Verstoß gegen das Vermummungs- oder Passivbewaffnungsverbot ist eine Straftat, die, wenn sie verfolgt wird, zu einer Geldstrafe oder einem Gerichtsverfahren führen kann.

Personenkontrolle

Außerhalb einer ordentlichen Versammlung darf die Polizei dich anhalten, nach deinen Personalien fragen und deinen Ausweis verlangen.

Personalienfeststellung

– Kann im Grunde ohne weitere Begründung durchgeführt werden, bei ordentlichen Versammlungen erst möglich nach deren Auflösung.
– Findet im Zuge einer Ingewahrsamnahme oft, im Zuge einer Festnahme immer statt.
– Gegenüber der Polizei müssen nur Angaben gemacht werden, die auch auf dem Personalausweis stehen:
– Name, Vorname, ggf. Geburtsname
– (Melde-)Adresse
– Geburtsdatum und -ort
– Bei Beschlagnahmung von Gegenstanden lass dir ein Verzeichnis geben. Unterschreibe nichts! Lass dich nicht auf einen Plausch ein! Alles, was du erzählst, kann später gegen dich oder andere verwendet werden.

Platzverweis / Aufenthaltsverbot

Polizei kann „zur Abwehr einer Gefahr“ eine Person vorübergehend für einen bestimmten Zeitraum von einem Ort verweisen.
Die Maßnahme muss der Verhütung von Straftaten dienen, wobei eine konkrete Gefahr bestehen muss und Tatsachen die Annahme rechtfertigen müssen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde eine Straftat begehen wird. Das ist das einzig zulässige Ziel.
Die auf Tatsachen gestützte Erwartung der Begehung geringfügiger Taten reicht nicht aus, um ein Aufenthaltsverbot anzuordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der räumliche und zeitliche Geltungsbereich muss exakt angegeben werden. Es dürfen keine so genannten „Allgemeinverfügungen“, z.B. gegen Demonstrant*innen oder etwa den “schwarzen Block” erlassen werden. Platzverweis darf die Teilnahme an einer angemeldeten Versammlung (Kundgebung, Demo) nicht behindern! Platzverweise können auch bei einer Behinderung von Polizei- und Rettungseinsätzen ausgesprochen werden, Feuerwehr und Rettungsdienst sollten auch daher nicht behindert werden Je nach Bundesland kann die Polizeibehörde zur Durchsetzung ein Zwangsgeld anordnen bzw. bei Verstoß ein Bußgeld verhängen. Ingewahrsamnahme ist möglich, wenn dies “unerlässlich” ist, um ein Platzverbot durchzusetzen. Ein Platzverbot ist auf 24 Stunden beschränkt, Aufenthaltsverbote können bis zu mehreren Monaten gelten. Es ist sinnvoll gegen Aufenthaltsverbote in Rücksprache mit EA/Rechtshilfegruppe/ Anwalt*in Widerspruch einzulegen.

Versammlungsverbot

Versammlungsverbote sind keine Betretungs- oder Befahrungsverbote, auch wenn die Polizei das manchmal meint! Auch der Weg zu einer bestätigten Versammlung durch die Verbotszone darf von Polizei nicht versperrt werden.

Durchsuchungen

– Ohne richterlichen Beschluss können Personen, Gepäck und Fahrzeuge durchsucht werden; Wohnungen und Büros nur wenn „Gefahr im Verzug“ ist; Wohnwagen gelten wahrend der Fahrt als Fahrzeug, wenn sie eigenständig abgestellt sind als Wohnung. Bei Zelten ist die Rechtslage umstritten.
– Frauen dürfen nicht von männlichen Polizisten abgetastet/körperlich durchsucht werden, Männer nicht von Polizistinnen. Bei umfangreicheren körperlichen Durchsuchungen mit Entkleiden darf das jeweils andere Geschlecht auch nicht im Raum sein.
– Ruhe bewahren, nach richterlichem Beschluss und Grund fragen.
– Durchsuchungsprotokoll verlangen (auch wenn nichts gefunden wurde).
– Widerspruch einlegen und protokollieren lassen.
– Nichts unterschreiben.

Bei der Festnahme

– Mach auf dich Aufmerksam!

Auf der Wache/Gefangenensammelstelle (Gesa)

– Nichts sagen! Willst du deine Identität angeben, nur: Name, Geburtsdatum, Meldeadresse und Staatsangehörigkeit.
– Falls sie dich erkennungsdienstlich (ED) behandeln wollen, Widerspruch einlegen. Arbeite nicht aktiv mit, laufe nicht vor der Kamera auf und ab. Wechsele nicht deine Kleidung! Du hast das Recht, ein erfolgreiches Telefongespräch zu führen, ruf den EA an und teile deine persönliche Nummer oder deinen Namen und Wohnort mit und sag, was sie dir vorwerfen – weiter nichts!! Falls du verletzt bist, hast du das Recht, von einer Ärztin oder einem Arzt behandelt zu werden. Lass dir deine Verletzung attestieren. Gehe nach der Entlassung zu einer Ärztin/Arzt deines Vertrauens, und lass dich erneut untersuchen und das attestieren. Auf der Wache nichts unterschreiben. Protokolle geben lassen, aber nichts unterschreiben! Es ist dein Recht, nichts zu unterschreiben, auch wenn sie versuchen, dich unter Druck zu setzen und dir z.B. deinen Hausschlüssel nicht wiedergeben wollen. Nach 48 Stunden sollten sie dich frei lassen oder dem/der Haftrichter*in vorführen. Hier brauchst du spätestens auch eine*n Anwalt*in.

Freilassung muss erfolgen:

– Bei Festnahmen zur Identitätsfeststellung: nachdem Personalien/Ausweis abgegeben und Daten aufgenommen wurden. Um zu überprüfen, ob Angaben stimmen, können sie Dich jedoch bis zu 12 Stunden festhalten!
– Bei Festnahmen als Tatverdächtige*r: Freilassung spätestens um 24:00 Uhr des auf die Festnahme folgenden Tages (also nach maximal 48 Stunden), es sei denn, Vorführung bei Richter*in und diese*r verhängt entweder Untersuchungshaft (nur bei schweren Straftaten und Flucht- oder Verdunkelungsgefahr meist bis zu 6 Monaten) oder ordnet ein „Schnellverfahren“ an.

Markierungen (z.B. Kreide, Farbbeutel, Graffiti)

– Eine Sachbeschädigung setzt eine “Substanzverletzung“ voraus. Mit Kreide malen zählt da nicht drunter, weil sie leicht abwaschbar ist. Farbe, die nicht abwaschbar ist, wird als Sachbeschädigung gewertet. Mehr als kleine Geldstrafen gibt es in der Regel für ein bisschen Farbe nicht. Du kannst jedoch möglicherweise zivilrechtlich für Schadensersatz her- angezogen werden. Wenn du etwas Zusätzliches anbringst und dabei nichts kaputtmachst, durfte das auch keine Sachbeschädigung sein.

3.) Vor und nach der Aktion

Vor der Aktion:

– Diskutiert in euren Bezugsgruppen, ob ihr Personalien angeben oder verweigern möchtet und informiert euch vorher in der Aktionsvorbereitung bzw. beim Legal Team über die möglichen Konsequenzen. Sprecht darüber, welche Grenzen ihr habt und welche Risiken ihr eingehen möchtet. Überlegt wie ihr die Folgen eines längeren Gewahrsams gemeinsam bewältigt.
– Wenn du deine Personalien verweigern willst oder das vielleicht möchtest, komm zum Legal Team und hol dir eine Nummer ab, bevor du in die Aktion gehst. Wenn du uns dann später (wenn etwas passiert) diese Nummer mitteilst, können wir dir darüber Hilfe organisieren und vor allem dafür sorgen, dass du nicht auf der Wache vergessen wirst.
– Wenn wichtige Sachen organisiert werden müssen bei längeren Festnahmen, informiere dich beim Legal Team (z.B auf Kinder oder Tiere aufpassen, lebensnotwendige Medikamente).Packe deine Aktionstasche: Wasser, Stift, Papier, Stadtplan, Kleingeld. Keine Gegenstände die als Waffen interpretiert werden können. Bei Personalienverweigerung lass den Perso bei einer Vertrauensperson (der von der Person notfalls zur GeSa/ Wache gebracht werden kann) und nimm auch sonst nichts mit was dich identifizieren könnte.

Bei Kontrolle/ Festnahme/ Auf der Polizeiwache:

– Ruhe bewahren! Hilf anderen, denen es schlechter geht.
– Auf dem Weg zur Wache: Vorsicht vor Wanzen und Spitzeln!
– Keine Aussage oder Unterschrift ! Rede nicht darüber was du oder andere gemacht haben, oder nicht gemacht haben. Jede Aussage kann gegen dich oder andere verwendet werden. Lass dich auch von Androhungen oder aus der Luft gegriffenen Vorwürfen nicht einschüchtern!
– Frage nach dem Grunde der Festnahme, was dir vorgeworfen wird
– Willst du deine Personalien angeben, dann nur: Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, Geburtsort und -tag, Meldeadresse und StaatsangehörigkeitStaatsangehörigkeit. Die Angaben kannst du auch mündlich mache. Mehr musst und solltest du auch nicht sagen!
– Du hast das Recht auf ein erfolgreiches Telefonat: Ruf den EA an. Bestehe auf deinem Recht zu Telefonieren!
– Die Polizei darf dich längstens bis 24 Uhr des nächsten Tages festhalten. Bei weiterer Haftdauer musst du eine*r Haftrichter*in vorgeführt werden.
– Es kann sein, dass du vor der Aktion festgenommen wirst, längstens bis zum Ende der Aktion. Dann unbedingt richterliche Vorführung fordern.
– Es kann sein, dass du einen Platzverweis bekommst, also das Verbot einen bestimmten Platz zu betreten. Machst du das trotzdem, kann es zu einer Ingewahrsamnahme kommen.

Anruf beim Ermittlungsausschuss (EA)

EA – Ermittlungsausschuss

Der EA macht Telefondienst, nimmt Festnahmen und Ingewahrsamnahmen auf, kümmert sich um Festgenommene, besorgt für sie wenn nötig Anwalt*innen, ermittelt Verbleib von Personen. Telefonnummer des EA wird vor und während der Aktion bekanntgegeben: Am besten auf den Unterarm mit wasserfestem Filzstift schreiben! Als Zeug*in einer Festnahme kannst du versuchen, die persönliche Nummer oder den Namen der Festgenommenen zu erfahren und an den EA weiterzugeben; aber keine weiteren Angaben zu dir selbst (auch kein Name) oder zu Aktionen vor der Festnahme machen.

Zu diesen Punkten solltest du dem EA etwas sagen:

– Deinen Namen, oder wenn du anonym bleiben möchtest deine persönliche Nummer
– Wo genau wirst du festgehalten?
– Was wird dir vorgeworfen?
– Sind noch mehr Menschen in Gewahrsam?
– Brauchst du wichtige Medikamente?

Dazu solltest du am Telefon NICHTS sagen:

– Was du wirklich getan oder nicht getan hast.
– Wie du heißt, wenn du das der Polizei noch nicht gesagt hast und deine Identität nicht preisgegeben möchtest.
-Welche Personen sonst noch beteiligt waren, aber nicht in Gewahrsam sind.

Nach der Freilassung

– Melde dich beim EA ab, wenn du wieder draußen bist oder die Kontrolle vorbei ist (auch wenn du vielleicht vorher nicht selbst angerufen hast).
– Wenn du das Gefühl hast von der Polizei misshandelt worden zu sein, oder das bei anderen gesehen hast, melde dich bei uns.
– Bei Post nach der Aktion: legal[at]sand-im-getriebe.mobi
– Lege Einspruch ein wenn es Fristen gibt (kann zurückgezogen werden)
– Schreibe ggf. ein Gedächtnisprotokoll (sicher aufbewahren!).
– Pro: Hilft bei der Verarbeitung, kann helfen Gerichtsverfahren vorzubereiten (Namen von eingesetzten Beamt*innen oder Einheiten und zeitliche Abläufe)
– Contra: möglicherweise 1a Geständnis, daher unbedingt sicher aufbewahren. Hat vor Gericht keinerlei Beweiskraft!

4) ID-Verweigerung

Vorteile

– Solidarität mit Menschen ohne Papiere oder Aufenthaltserlaubnis, mit ausländischem Pass oder mit offenen Haftbefehlen.
– Verhindert eine schnelle Abarbeitung durch die Polizei und verursacht erheblich mehr Aufwand.
– Weniger Möglichkeiten für Unterlassungserklärungen oder Strafverfahren im Nachhinein. Dies gilt aber nur so lange, wie es noch keine Verbindung von Fingerabdrücken und Fotos zu deinem Namen gibt (z.B. aus früheren Kontrollen) und die Polizei es nicht anderweitig schafft deine Identität zu ermitteln.

Nachteile

– Schwieriger offen zur Aktion zu stehen
– möglicherweise Beleidigungen, Demütigungen, wenn es schlimm kommt auch körperliche Übergriffe auf der Polizeistation
– Risiko von Untersuchungshaft bei geringfügigen Tatvorwürfen
– Polizeigewahrsam zur Feststellung der Identität kann länger dauern
– Erschwerte Solidaritätsarbeit (z.B. wenn Menschen aus Angst, erkannt zu werden, nicht zu Prozessen kommen)
– Sollte die Identität dennoch festgestellt bzw. vermutet werden (z.B. durch Fotoabgleich, gefundener Versicherungskarte, Erkennen durch andere Polizist*innen o.ä.) ist die Verhängung eines zusätzlichen Bußgelds für die Identitätsverweigerung möglich. (§ 111 Ordnungswidrigkeitengesetz).
– Ungewissheit: Eine Garantie, dass die Polizei deine Daten nicht herausfindet, gibt es nicht.
– Das Risiko einer ED-Behandlung ist höher

ED-Behandlung

– Eine ED-Behandlung ist eine Maßnahme zur Erfassung personenbezogener, biometrischer Daten.
– Das können Fingerabdrücke, Fotos (auch von Muttermalen, Narben und Tattoos!) sein.
– Mach keine Angaben zu sonstigen körperlichen Merkmalen (Tattoos, Narben etc.)
– Du hast keine rechtliche Möglichkeit, die ED-Behandlung zu verhindern, aber bleib souverän und lass dir nichts gefallen! Arbeite nicht aktiv mit, indem du z.B. die Kleidung wechselst oder vor der Kamera auf und ab läufst.
– Trotzdem solltest du in jedem Fall Widerspruch gegen die ED-Behandlung einlegen.
– Achte darauf, dass dein Widerspruch zu Protokoll genommen wird.
Nichts unterschreiben!

5.) Quellen

Der vorliegende Text beruht zu großen Teilen auf der Ende Gelände Rechtshilfebroschüre, „Was tun wenn es brennt“ von der Roten Hilfe, Verhaltenstipps bei Demonstrationen des EA Frankfurt, sowie dem S4A Handbuch. Vielen Dank für eure Vorarbeit!